Cinzia Gori schreibt im Anschluss an den Vortrag von Dr. Jean-Paul Munsch über EIN ORGANISCHES ORGANISATIONSMODELL FÜR FIRMEN, SCHULEN UND KITAS am 02.07. in München:
„Die Geschichte von Aristoteles und den Zähnen brachte Frederic Laloux in einem seiner Vorträge als Beispiel dafür, wie Veränderung geschieht.
Ich möchte einen weiteren Aspekt hinzufügen.
Die Idee, die Zähne nachzuzählen um zu überprüfen, ob Frauen tatsächlich weniger Zähne haben als Männer – wie Aristoteles behauptet haben soll – könnte man als einen Akt der Rebellion in der Zeit der Renaissance betrachten.
Doch das Muster – “ ich brauche eine Autorität “ – sitzt seit jeher in unseren Zellen.
Autorität ist Gott, mein Vater, mein Lehrer, mein Chef. Autorität ist jede Methode, jedes Konzept, jeder Gedanke, an dem ich festhalte. Autorität ist Halt. Das Muster entspringt aus der Angst heraus den Halt zu verlieren und sich dem Fluss des Lebens hinzugeben.
Erst wenn wir bereit sind, dieses Muster durchzuleuchten, zu hinterfragen und vor allem wahrzunehmen, welche Gefühle es in uns hervorruft, erst dann erkennen wir, dass wir keine Autorität, kein Konzept, keinen Halt mehr brauchen.
Erst dann sind wir in der Lage, Organisationen zu gründen die Organismen sind, in denen jede Zelle eine Autorität ist, in denen jeder Mitarbeiter aus der eigenen inneren Autorität heraus, aus seinem/dem Selbst handelt.“
Hier meine ich: die Gemeinschaft selbstbestimmt Studierender ist eine Gruppe, in der jede/r aus der eigenen inneren Autorität heraus handelt.
Auf Cinzia Gori antwortet Matthias Deuerling:
„Ich stimme diesem Ansatz voll und ganz zu. Einzig Cinzia Goris Lösungsvorschlag erfordert meines Erachtens noch etwas mehr Achtsamkeit und könnte in dieser Formulierung schnell missverstanden werden. Wenn sie vorschlägt, das Muster zu „hinterfragen“ und zu „durchleuchten“.
Schnell könnte der Leser annehmen, dass er durch das Hinterfragen und Durchleuchten im klassischen Sinne sein Fehlverhalten erkennen, verstehen und verbessern könne, im Sinne von etwas anders / etwas Besseres machen.
Doch genau das kann sie nicht damit meinen. Denn der denkende Teil in uns, der bisher die Dinge aus der Analyse heraus so gut wie möglich gemacht hat und bereit ist, es jetzt besser zu machen, genau dieser bewertende und entscheidende Teil selbst ist ja das Problem, warum Menschen bisher so wenig für einen kollektiven Organismus geeignet sind. Anders gesagt: Wir denken, bewerten und kontrollieren viel zu viel, als dass wir für einen Organismus taugen.
Wir sind daher vielmehr aufgefordert, den strategisch (voraus)denkenden Prozess in uns mehr und mehr aus unserem Alltag wieder heraus zu lassen, insbesondere wenn es um die Fragen zur Gestaltung der Zukunft geht. Wir müssen den „Denkmuskel“ viel häufiger ruhen und dadurch zurückgehen lassen, bis er wieder auf seine gesunde Größe geschrumpft ist.
Also anstelle darüber nachzuDenken, wie man das Beste für die gemeinsame Zukunft tun könnte, gilt es, sich dem Fluss des bewussten Tuns selbst mehr zu öffnen, sich dem, was man gerade macht, hinzugeben und immer nur diesen einen nächsten kleinen Schritt zu gehen, ohne zu versuchen, das Große Ganze überblicken, verstehen und durch geschicktes handeln optimieren zu müssen. Denn dies wäre und ist oft genug die Anmaßung des Verstandes, dass er das Ganze verstehen könne, wenn er nur genug darüber wisse und nachdächte.
In diesem Sinne meint Cinzia Goris mit „Hinterfragen“ wahrscheinlich mehr das Innehalten und Erkennen, dass man gerade wieder drauf und dran ist, die aktuelle Herausforderung rein denkend lösen, es gut oder perfekt machen zu wollen, im Hinblick auf ein weit gestecktes Ziel. Anstelle in der gegenwärtigen Tätigkeit zu versinken und die Kontrolle über das Ergebnis auf- und abzugeben, nicht mehr genau wissend, wohin das führt, was man tut.
Auch das erwähnte „Durchleuchten“ meint dann wohl weniger das verstehende Analysieren des Misstandes, sondern dass stille beobachten dessen, das man sich einmal mehr wieder zu viel Kopf macht, z. B. aus Angst, die Kontrolle zu verlieren.
Eine Aufgaben, die mir selbst regelmäßig äußerst schwer fällt. Und dann kommen die erwähnten Gefühle von Angst und Orientierungslosigkeit auf, die Cinzia Goris ebenfalls empfiehlt, zu fühlen. Für mich sind Sie immer öfter ein Hinweis, dass ich gut daran tue, genau in diesem achtsamen Vorgehen zu bleiben, gleich wieder einzutauchen. Auch, wenn sich mein Verstand dabei regelmäßig windet und quengelt.
Die Ergebnisse, die sich einstellten, wenn ich mit dem Denken dem Handeln aus dem Weg ging, sprechen zumindest dafür, diese Lebenshaltung weiter auszubauen.“
Dazu mein (Tomas Langhorst) Hinweis auf das UniExperiment am letzten Donnerstag (2.7.2015) :
Genau den von Dir, Matthias, (besonders in Deinem 3.+4. Absatz) beschriebenen Ansatz realisieren wir nach meinem Verständnis in der Form ´Offener BildungsRaum´ wöchentlich im Freien UniExperiment:
Der Ablauf der Treffen im Format ´Offener BildungsRaum´ ist nicht planbar, nicht vorhersehbar, der Inhalt allenfalls bedingt. Gesteuert und gestaltet wird der Offene BildungsRaum von den aktuellen, individuellen Impulsen und Bedürfnissen aller Anwesenden.
Letzten Donnerstag ist uns erstmalig eine Kombination von Offenem BildungsRaum (nicht vorherbestimmter Ablauf) mit dem klassischen Format ´Vortrag´ (vorherbestimmter Ablauf) gelungen:
Heraus kam dabei ein inspirierendes Zusammensein zum vorher festgelegten Thema, das ausreichend Raum für die Kompetenzen & Beiträge der Zuhörenden ließ, die so zu Mitgestaltenden wurden.
Es gab viel Raum für Zwischen- und Nachfragen, und für spontane thematische Exkurse zu einzelnen Aspekten, immer wohlwollend, flexibel und sehr präsent begleitet vom Vortragenden und einem ´Raumhalter´.“