„Legendenbildung in der goldenen Stadt Prag“

Auf dem UniversiFest im Schellberghaus in Stuttgart am Samstag, d. 9.11.´13 traf ich Reinhard Ulrich aus Korntal bei Stuttgart.

Er verschenkte auf dem Fest seine ´Barfußzeitung´.

 Geld – Wirtschaft – Arbeit – Gerechtigkeit – Sehen – Fühlen

sind für einige UniversIdenten relevante Stichworte.

Deshalb, und weil ich (Tomas) den Text einfach lesens- und fühlenswert finde, habe ich ihn mit freundlicher Genehmigung von Reinhard für UniExperiment abgetippt:

„Längs der S 6 stehen Gleis- und Bauarbeiter im Regen.

Wer schon einmal eine Stadtführung in Prag mitgemacht hat, weiß, dass der gute Kaiser Karl der IV. damals, als das Volk hungerte, das Volk die Hungermauer bauen ließ, eine recht großzügig erweiterte Burg- und Stadtmauer. Gnädig gab der Kaiser dem Volk Arbeit und somit, wie man so sagt, Brot. Ist das nicht bestechend einfach und rührend, wie da das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden wurde ?

Viel anstrengender wäre ja für Kaiser und Hof gewesen, zu überlegen:
Warum hungert das Volk ?
Wird zu wenig Getreide angebaut ?
Hat das Volk kein Geld, um Getreide zu kaufen, keine ausreichende Möglichkeit, Getreide anzubauen ?
Und warum haben wir dann soviel Geld, dass wir eine Hungermauer bauen lassen können ?
Und ob es wohl für das Volk gesünder wäre, Getreide anzubauen und Brot zu backen, als Steine zu brechen, zu schleppen, zu mauern ?

Fahren Sie in die goldene Stadt Prag, um zu erfahren, wie der gute Kaiser Karl der IV., der ja keineswegs der dümmste, der machtgierigste, der selbstherrlichste Kaiser war -offensichtlich wusste er es damals noch nicht besser – das Volk die Hungermauer bauen ließ; handgemauert, efeubewachsen sieht sie heute ganz hübsch aus.

Zusätzlich, hier in Stuttgart,
kann man noch, teils frei, teils hinterm Bauzaun versteckt, die Betonorgie des Europaviertels (wie Halle-Neustadt garantiert efeufrei bis zum Abbruch) im Entstehen und Stuttgart 21 beim Kahlschlagen, Abreißen und Plattmachen besichtigen – und die Bauarbeiter im Regen:

hier in´s Brot gesetzt, leider unsichtbar, sichtbar nur Maschinen, Beton, Erde, Regen;
unsichtbar, dass manche, Frau und Kind verlassend, bis aus der Ukraine angereist sind,
unsichtbar, dass dort, zuhause, manche notwendige Arbeit liegenbleibt, weil sie ja hier, von DB AG, Hochtief usf. in´s Brot gesetzt sind.

Und da halt nicht alles auf den ersten Blick sichtbar ist, bleibt einem nur noch das Denken; und das Fühlen:

Wie klingt das zusammen, und wie könnte das auch ganz anders klingen ?

Text: Reinhard Ulrich, Korntal, veröffentlicht in der Barfußzeitung Nr. 3

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